Horst von Bültzingslöwen als Rattenfänger anlässlich eines Schulaustauschs in dem französischen Städtchen Provins, 1992.

Projekt-Teilnehmer Horst von Bültzingslöwen stellt sich vor

Um es gleich vorweg zu sagen: ich bin weder in Hameln geboren, noch bin ich wegen des Rattenfängers in diese Stadt gezogen. Dafür gab es andere, sehr persönliche Gründe. Doch schnell entstand zu Hameln eine innige Beziehung, ja Bindung, und dazu gehörte natürlich auch die Geschichte vom Rattenfänger. Wenn ich als Lehrer am Viktoria-Luise-Gymnasium mit Schülergruppen in Deutschland oder Frankreich unterwegs war, wurden wir regelmäßig nach unserem Wohnort gefragt, und häufig war die spontane Reaktion: „Ah, aus der Stadt des Rattenfängers.“ Meinen Gastgebern in unserer französischen Partnerstadt Saint-Maur brachte ich als Gastgeschenk häufig eine Version der Sage in ihrer Sprache mit, und so kamen wir über deren Inhalt ins Gespräch.

Als Rattenfänger in Frankreich

Eine einmalige Gelegenheit, die Geschichte vom Rattenfänger französischen Freunden zu vermitteln, bot sich mir 1992. Für meine damaligen Schülerinnen und Schüler von der OS Süd mit Französisch als erster Fremdsprache hatte ich eine Partnerschule in der mittelalterlichen Stadt Provins 100 km östlich von Paris gefunden, und unser Besuch bei ihnen fiel mit dem alljährlich stattfindenden Mittelalter-Fest zusammen. Wir wurden eingeladen, daran aktiv teilzunehmen, und was lag näher, als dort als Rattenfänger, dem eine Gruppe von Ratten folgt, aufzutreten. Wir fühlten uns in unseren Kostümen bei dem großen Festumzug durch die malerische Altstadt wie echte Botschafter unserer Stadt.

Ein stets aktuelles Thema

Im Zusammenhang mit dem großen Rattenfänger-Jubiläum 1984 entstanden nähere Kontakte zu dem  damaligen Museumsdirektor Dr. Norbert Humburg. Die Begegnungen und Gespräche mit ihm lösten eine erste Begeisterung für das Thema in mir aus, und sein in dem Jahr frisch erschienenes Buch „Der Rattenfänger von Hameln“ öffnete mir die Augen für die ungeahnte Vielschichtigkeit dieses Themas. Zeitgenössische Deutungen des Sagenstoffes in Chansons wie bei Hugues Aufray (Frankreich) und Hannes Wader (Deutschland) ergänzten und vertieften diese Wahrnehmung – der Rattenfänger bekam für mich plötzlich eine die Gegenwart betreffende Dimension.

Die Skulptur „Hameln“

Diese Erfahrung erfuhr noch einmal eine Vertiefung, als ich bei einem befreundeten Pariser Bildhauer vor mehr als zehn Jahren dessen Skulptur „Hameln“ entdeckte, die mir weitere, ganz neue Perspektiven der Deutung des Rattenfänger-Stoffes eröffnete. Und mein spontaner Gedanke war: „Dieses einmalige Kunstwerk gehört nach Hameln!“ Das war dann auch für mich ein wesentliches Motiv, an dem Projekt „Pied Piper International – Auf den Wegen des Rattenfängers“ mitzuarbeiten: diese Skulptur den Menschen in der Rattenfängerstadt bekannt zu machen und ihnen meine Begeisterung dafür weiterzugeben. Denn sie sprengt geradezu den Rahmen bisheriger Deutungen und bietet so einen möglichen Weg zur Aktualisierung des Sagenthemas in unsere Gegenwart hinein.

Der Pariser Bildhauer Frédéric Brigaud mit der Bronzeskulptur „Hameln“ in seinem Atelier.

Zum Weiterlesen:

von Bültzingslöwen, Horst: Die Skulptur Hameln des Bildhauers Frédéric Brigaud, Paris, in: Hamelner Jahrbuch 2019. Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Hameln und der Region, Hameln: Museumsverein Hameln, 2019, S. 113-120.