Die Autorin, Andrea Brenes, 1992 auf dem Cerro Chiripó Grande (Mitte) – dem mit 3.820 Höhenmetern höchsten Punkt Costa Ricas.

Projektteilnehmerin Andrea Brenes stellt sich vor

Ah was? Hameln gibt es wirklich?

Das war meine Reaktion, als mein Mann (damals mein Freund) mir erzählte, dass er ein Vorstellungsgespräch in Hameln habe. Wenn ich unterwegs bin – ob in meiner Heimat Costa Rica oder irgendwo im Ausland – und erzähle, dass ich in Hameln wohne, höre ich diese Frage öfters.

Die Rattenfänger-Sage in Costa Rica

Natürlich kennen alle den „Flautista“ und in diesen Zusammenhang auch den Namen „Hamelin“. Aber ich glaube, keiner bei uns wäre von alleine auf die Idee gekommen, dass es Hameln tatsächlich gibt. Der Rattenfänger steht für uns auf einer Ebene mit Dornröschen, Schneewittchen und Co., also ein Märchen. Ich weiß nicht wie die Geschichte zu uns gekommen ist, ich glaube die zwei populärsten Quellen sind die Grimm Erzählungen (Übersetzungen aus Spanien) und Disney (was auch erklärt, warum die meisten Leute nur das Happy End kennen). Der „Flautista“ aus meiner Kindheit war nicht böse. Er hat die Kinder befreit, nachdem er seinen Lohn bekommen hat. Er wurde betrogen und hat eine Lektion erteilt. Auf Nachfrage in meinem Freundeskreis gab es auch einige, die eine andere Version kannten, in der die Kinder verschwunden bleiben.

Illustration: Tropical Pied Piper
Copyright: Andrea Brenes

Aus 4000 Höhenmetern ins Weserbergland

Im Februar 2002 bin ich aus San Jose, Costa Rica, in  eine  Märchenstadt ausgewandert. Berge und Hochdeutsch waren meine Bedingungen für das neue Zuhause. Unsere costa-ricanischen Berge sind bis zu 4000 Meter hoch und das kleine Land ist für seine wunderschöne Natur und Biodiversität bekannt. Das Weserbergland hört sich im Vergleich vielleicht nicht so beeindruckend an, aber dafür hat es den Rattenfänger und eine Märchenstraße, und eigentlich ist es auch sehr schön und grün hier.

17 Winter, einige Deutschkurse, ein deutscher Pass und einige graue Haare später wohne ich immer noch (genauer gesagt schon wieder) in Hameln. Meine Liebe-Hass-Beziehung der ersten Jahre hat sich weiterentwickelt und ich kann jetzt Hameln mein Zuhause nennen, wo ich lebe und arbeite, wo Familie und Freunde sind.

Der Weg zum Projekt

Und da saß ich vor ein paar Monaten am Frühstückstisch als ich den Artikel über das Projekt  „Catching the Pied Piper“ (inzwischen Pied Piper International) las… „Das Museum Hameln sucht Mitstreiter*innen, die eine internationale Perspektive einbringen können – sei es durch Migrationshintergrund, -erfahrung oder Affinität zu einer bestimmten Kultur oder Sprache.“… und Interesse an gestalterischer und kreativer Arbeit müssen sie auch haben…

Als Diplom-Designerin ist mir kreative Arbeit nichts Fremdes, ein politischer Mensch bin ich auch, ich interessiere mich für Geschichte und Gegenwart, und das gilt natürlich auch für meine Stadt, also ich fühlte mich angesprochen und habe mich für das Projekt gemeldet.

Sympathie zum freischaffenden Künstler

Habe ich eine persönliche Verbindung mit der Sage?

Der Pfeifer hat ganz sicher unzählige Stunden gelernt und geübt, um besser zu werden und die Kunst „Ratten-mit-Flötenmusik-zu-vertreiben“ zu beherrschen. Die Leute hatten große Erwartungen an ihn, aber wollten seine Arbeit nicht anerkennen und nicht mal die versprochene Belohnung bezahlen. Der Fall ist heutzutage genau so aktuell wie damals. Ich muss nur an Krankenpfleger, Erzieher und viele andere Dienstleister denken. Als jemand, der in der kreativen Branche arbeitet, spüre ich auf jeden Fall Sympathie für den Rattenfänger.